Gezielte Nährstofftherapie: Warum Supplemente heute mehr sind als nur eine Ergänzung


Von Dr. med. Andreas Bernhardt

Mikronährstoffe wie Magnesium, Omega-3-Fettsäuren oder Vitamin D sind essenziell für das reibungslose Funktionieren unseres Körpers – das ist weithin bekannt. Doch die Art und Weise, wie wir heute leben und uns ernähren, hat sich radikal verändert. Die Folge: Selbst bei scheinbar gesunder Ernährung ist eine optimale Versorgung mit allen notwendigen Mikronährstoffen kaum mehr gewährleistet. Eine gezielte, evidenzbasierte Nährstofftherapie gewinnt daher zunehmend an Bedeutung – für Prävention, Leistungsfähigkeit und ein gesundes Altern.

Ein neuer Blick auf Nahrungsergänzungsmittel

Als Arzt mit langjähriger Erfahrung im Bereich der bioidentischen Hormontherapie und Präventivmedizin beobachte ich einen Paradigmenwechsel: Nahrungsergänzungsmittel sind längst kein Modephänomen mehr – sondern ein medizinisch sinnvolles Werkzeug, um Mikronährstoffdefizite auszugleichen, die durch moderne Umwelt- und Lebensbedingungen entstanden sind.

Dabei geht es nicht um blindes Supplementieren, sondern um gezielte Unterstützung: Wer Mikronährstoffe intelligent einsetzt, kann die Gesundheit fördern, Alterungsprozesse verlangsamen und chronische Beschwerden lindern – vorausgesetzt, es geschieht individuell angepasst und unter fachkundiger Begleitung.

Warum unsere Nahrung nicht mehr genügt

Die Nährstoffdichte unserer Lebensmittel hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Verantwortlich sind ausgelaugte Böden, industrialisierte Landwirtschaft, selektive Züchtung auf Optik statt Inhalt sowie Schadstoffbelastungen, die das Bodenmikrobiom zerstören. So enthält Spinat heute bis zu 80 % weniger Magnesium als vor 100 Jahren [1].

Gleichzeitig steigt unser Bedarf: Chronischer Stress, oxidativer Zellstress, Schlafmangel, Umweltgifte und eine zunehmend hormonell instabile Lebensphase ab dem 40. Lebensjahr belasten den Stoffwechsel. Damit rücken zusätzliche Nährstoffgruppen wie Mineralstoffe, essenzielle Aminosäuren und Antioxidantien stärker in den Fokus.

Mineralstoffe, Aminosäuren & Antioxidantien – was ab 40 wirklich zählt

Ab dem ca. 40. Lebensjahr beginnt bei vielen Menschen eine hormonelle Inklination – also das allmähliche Nachlassen der körpereigenen Hormonproduktion. Dieser Prozess betrifft Frauen wie Männer und kann unter anderem zu Erschöpfung, Schlafstörungen, reduzierter Muskelkraft, kognitivem Leistungsabfall oder Stimmungsschwankungen führen. In meinen Publikationen zur bioidentischen Hormontherapie (wechselweise.net, gz-kapf.ch) habe ich gezeigt, dass Mikronährstoffe hier eine regulative Rolle einnehmen können [6].

1. Mineralstoffe wie Magnesium, Zink und Selen
Diese unterstützen nicht nur die Energieproduktion in den Mitochondrien, sondern wirken auch antientzündlich und hormonmodulierend. Zink ist u. a. an der Testosteronsynthese beteiligt, während Selen Schilddrüsenprozesse und die Entgiftung unterstützt.

2. Essenzielle Aminosäuren
Gerade im Alter steigt der Bedarf an Aminosäuren wie Leucin, Lysin und Arginin, da die Proteinsynthese (z. B. Muskelaufbau, Immunsystem, Hormonsynthese) ineffizienter wird. Aminosäuren bilden zudem die Basis für Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin – entscheidend für Stimmung, Schlaf und Antrieb.

3. Antioxidantien wie Q10, Astaxanthin, Vitamin C und E
Mit zunehmendem Alter nimmt die körpereigene Produktion antioxidativer Enzyme (z. B. Glutathion) ab. Exogene Antioxidantien schützen Zellen vor oxidativem Stress, einem zentralen Treiber von Alterung, Entzündungsprozessen und chronischen Erkrankungen. Q10 beispielsweise ist unerlässlich für die Mitochondrienfunktion und Herzgesundheit.

Nährstoffe in der modernen Lebensstilmedizin

Zahlreiche Studien belegen die Wirksamkeit gezielter Supplementierung im Rahmen einer ganzheitlichen Lebensstilmedizin. Besonders eindrucksvoll sind Ergebnisse aus Demenzforschung und Prävention:

  • Vitamin D, Omega-3, Q10, B-Vitamine, aber auch natürliche Substanzen wie Pilzextrakte oder bioidentische Hormone (z.B. Pregnenolon, Progesteron) zeigten positive Effekte auf Gedächtnis, Stimmung und Entzündungsprozesse [2–4].
  • In kontrollierten Studien konnte eine Kombination aus Bewegung, Ernährung, Supplementen und kognitivem Training kognitive Verschlechterung stoppen oder sogar umkehren [5].

Auch in der ärztlichen Praxis zeigt sich: Eine individuell abgestimmte Nährstofftherapie kann z. B. bei Erschöpfungssyndromen, Schlafstörungen oder hormonellen Dysbalancen spürbare Verbesserungen bewirken – wie in meinen Fallstudien zur bioidentischen Hormontherapie im Kontext von Better Aging dokumentiert [6, 7].

Warum Individualität entscheidend ist

Kein Mensch gleicht dem anderen. Lebensstil, Ernährung, Stresslevel, Alter, Genetik und Krankheitsverläufe beeinflussen den Mikronährstoffbedarf – pauschale Empfehlungen sind daher wenig zielführend. Ein evidenzbasierter Ansatz umfasst:

  • Vollblutanalysen, um den Ist-Zustand objektiv zu ermitteln
  • Bewertung von Lebensstil und Ernährung
  • Gezieltes Auffüllen jener Mikronährstoffe, die nicht über die Nahrung abgedeckt werden können
  • Berücksichtigung von Budget, Minimalismus oder Optimierungswunsch

Nur so entsteht eine personalisierte Mikronährstoffstrategie, die tatsächlich wirkt.

Gesundheit braucht Eigenverantwortung – und Aufklärung

Der medizinische Alltag zeigt: Viele chronische Beschwerden könnten vermieden werden, wenn rechtzeitig gegengesteuert wird. Doch wer sich ausschließlich auf das Krankenkassensystem verlässt, wird meist erst im "Reparaturmodus" behandelt.

Gesundheit ist kein Zufall – sondern das Ergebnis täglicher Entscheidungen. Es braucht eine neue Gesundheitskultur, in der Prävention, Eigenverantwortung, vernetztes Wissen und Gesundheits-Communities im Mittelpunkt stehen. Ärzte, Patienten, Coaches und Therapeuten können gemeinsam Lösungen finden – jenseits der engen Grenzen konventioneller Medizin.

Fazit

Nahrungsergänzungsmittel sind kein Allheilmittel – aber ein hochwirksames Werkzeug, wenn sie sinnvoll, gezielt und individuell eingesetzt werden. In der modernen Lebensstilmedizin spielen sie eine zentrale Rolle – für ein langes, vitales Leben. Entscheidend ist die Kombination aus Wissen, Analyse und verantwortungsvoller Umsetzung.

Über Dr. med. Andreas Bernhardt:
Dr. Bernhardt ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin mit internationaler Ausbildung in Endokrinologie und Better Aging. Er ist Mitglied der Schweizer Anti-Aging-Gesellschaft (SSAAMP) sowie der renommierten Endocrine Society (Washington, D.C.). Sein Schwerpunkt liegt auf der bioidentischen Hormontherapie im Rahmen eines ganzheitlichen Longevity-Konzepts. Als Experte auf der deutschsprachigen Plattform wechselweise.net engagiert er sich im DACH-Raum für mehr Aufklärung über hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren von Frau und Mann – mit dem Ziel, Gesundheit und Lebensqualität nachhaltig zu fördern.

Literatur und weiterführende Informationen

Literatur:

  1. Mayer, A.-M. et al. (2015). Historical changes in the mineral content of fruits and vegetables. Journal of Food Composition and Analysis.
  2. Bredesen, D.E. (2014). Reversal of cognitive decline: A novel therapeutic program. Aging, 6(9), 707–717.
  3. Grimm, M. O. et al. (2016). Impact of omega-3 fatty acids on Alzheimer’s disease. Journal of Alzheimer's Disease, 50(2), 477–490.
  4. Gleiter, C.H., & Nutt, D.J. (1991). Pregnenolone: A review of its pharmacology and potential clinical applications. CNS Drugs.
  5. FINGER Study (Ngandu et al., 2015). A 2-year multidomain intervention of diet, exercise, cognitive training, and vascular risk monitoring versus control to prevent cognitive decline in at-risk elderly people (FINGER). The Lancet, 385(9984), 2255–2263.
  6. Bernhardt, A. (2023). Gezielte Mikronährstofftherapie im Rahmen bioidentischer Hormonregulation: Praxiserfahrungen und Fallbeispiele. wechselweise.net/blog/mikronaehrstoffe-better-aging
  7. Bernhardt, A. (2022). Hormonbalance 40+: Warum Mikronährstoffe bei hormonellen Umstellungen essenziell sind. In: Praxisblog GZ Kapf, gz-kapf.ch