Protein: Der unterschätzte Schlüssel zu Kraft, Gesundheit und geistiger Fitness im Alter
Von Dr. Bernhardt – Longevity-Experte und Facharzt für Allgemeine Innere Medizin
Langlebig leben heißt kraftvoll altern
Die moderne Longevity-Forschung zeigt: Wer im Alter fit bleiben will, muss nicht nur in Bewegung bleiben – sondern sich auch gut versorgen. Protein, lange auf Muskelaufbau und Sport reduziert, entwickelt sich zum zentralen Nährstoff gesunder Alterung. Es schützt die Muskulatur, unterstützt den Stoffwechsel, stärkt das Immunsystem – und hat sogar Einfluss auf unser Gehirn.
Wenn Muskeln schwinden: Sarkopenie als unterschätzte Gefahr
Bereits ab dem 50. Lebensjahr beginnt ein schleichender Abbau der Muskulatur – mit rund 1–2 % pro Jahr, sofern keine Gegenmaßnahmen getroffen werden (Volpi et al., 2013). Dieser altersbedingte Muskelverlust, medizinisch Sarkopenie genannt, hat weitreichende Folgen:
- Höheres Sturz- und Frakturrisiko
- Verlust der Mobilität
- Abnahme der Selbstständigkeit
- Erhöhtes Risiko für Pflegebedürftigkeit
Ursache ist eine sogenannte anabole Resistenz – die Muskulatur reagiert im Alter deutlich schwächer auf zugeführtes Eiweiß (Bauer et al., 2013).
Protein: Mehr als nur ein Baustoff
Proteine übernehmen im Körper nicht nur strukturelle Aufgaben. Sie wirken auch als:
- Enzyme (katalysieren Stoffwechselprozesse)
- Hormone (z. B. Insulin, Glukagon)
- Immunmodulatoren (z. B. Antikörper)
- Transportmoleküle (z. B. Hämoglobin)
Daher empfehlen Fachgesellschaften wie die PROT-AGE Study Group für ältere Erwachsene mindestens 1,0–1,2 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht täglich – bei Erkrankungen sogar bis zu 2,0 g/kg (Bauer et al., 2013).
Myokine: Wie Muskeln das Gehirn schützen
Bewegung fördert die Ausschüttung sogenannter Myokine – Botenstoffe aus der Muskulatur. Besonders bedeutend ist der BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor), der das Wachstum und die Regeneration von Nervenzellen fördert (Liu et al., 2018). Auch Irisin oder entzündungshemmendes Interleukin-6 zeigen neuroprotektive Effekte.
Studie im Fokus
In einer Untersuchung an älteren Erwachsenen zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Muskelmasse und kognitiver Leistungsfähigkeit (Chang et al., 2021).
Myokin | Funktion |
---|---|
BDNF | Nervenwachstum, Gedächtnisleistung |
Irisin | Fettstoffwechsel, Neuroprotektion |
IL-6 (anti-inflammatorisch) | Entzündungshemmung, Immunregulation |
Das Problem klassischer Eiweißquellen
Viele ältere Menschen schaffen es im Alltag nicht, ihren Proteinbedarf zu decken. Gründe sind u. a.:
- Appetitmangel
- Kaubeschwerden
- Völlegefühl
- Geringe Verdauungsleistung
Studien wie die Nationale Verzehrstudie II zeigen: In Pflegeeinrichtungen sind fast 50 % der Bewohner:innen mangelernährt oder gefährdet (Heseker et al., 2008).
Zudem sind klassische Proteinpräparate wie Whey oder Casein oft schwer verträglich. Und selbst moderne Produkte wie MAP (Master Amino Pattern) bringen nur begrenzte Wirkung – ihre Aufnahme ist individuell verschieden, sie sättigen stark und erfüllen keine regulatorischen Zusatzfunktionen.
Die Lösung: Bioaktive Peptide – smarte Eiweißhelfer
Bioaktive Peptide sind kurze Proteinfragmente, die über den PEPT-1-Transporter besonders effizient aufgenommen werden – selbst bei wenig Appetit. Ihre Vorteile:
- Keine Verdauungsprobleme
- Hohe Bioverfügbarkeit
- Kaum sättigend
- Vielfältige Wirkmechanismen
Zdzieblik et al. (2015) zeigten: Kollagenpeptide in Kombination mit Training steigern die Muskelkraft bei älteren Männern signifikant.
Zudem entfalten bestimmte Peptide präbiotische Effekte, indem sie das Wachstum nützlicher Darmbakterien wie Akkermansia muciniphila fördern (Zhuang et al., 2019). Dies unterstützt den Stoffwechsel und reduziert systemische Entzündungen – ein wichtiger Beitrag zur Altersprävention.
Fazit: Protein ist Prävention
Proteinversorgung ist im Alter kein Luxus – sie ist medizinisch notwendig. Moderne Eiweißkonzepte mit bioaktiven Peptiden bieten hier eine wissenschaftlich fundierte und alltagstaugliche Lösung. Sie schützen nicht nur Muskeln, sondern wirken auch neuroprotektiv, entzündungshemmend und metabolisch stabilisierend.
Wer seine Eiweißversorgung aktiv gestaltet, legt den Grundstein für mehr Lebensqualität, Selbstständigkeit und geistige Fitness im Alter.
Zur Person
Dr. Bernhardt ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und international ausgebildet in Endokrinologie, Präventivmedizin und Anti-Aging. Er ist Mitglied der SSAAPM und engagiert sich auf der deutschsprachigen Plattform wechselweise.net für die evidenzbasierte Aufklärung rund um gesunde Alterung und Hormontherapie.
- Bauer, J. et al. (2013). Evidence-based recommendations for optimal dietary protein intake in older people: A position paper from the PROT-AGE Study Group. JAMDA, 14(8), 542–559.
- Chang, K.V. et al. (2021). Association between sarcopenia and cognitive impairment: A systematic review and meta-analysis. J Cachexia Sarcopenia Muscle, 12(6), 1527–1540.
- Heseker, H. et al. (2008). Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht. BMELV.
- Liu, P.Y. et al. (2018). Skeletal muscle and cognitive function: A review of the evidence. J Gerontol A Biol Sci Med Sci, 73(5), 596–602.
- Volpi, E. et al. (2013). Muscle tissue changes with aging. Current Opinion in Clinical Nutrition & Metabolic Care, 16(3), 295–300.
- Zdzieblik, D. et al. (2015). Collagen peptide supplementation in combination with resistance training improves body composition and increases muscle strength in elderly sarcopenic men. British Journal of Nutrition, 114(8), 1237–1245.
- Zhuang, H. et al. (2019). Dietary peptides modulate gut microbiota and mucosal barrier function. Nutrition Research, 69, 67–78.